Leseprobe
André Steinbach
Karlsbad und Karlsbader Grün
Mein zweiter Besuch in Karlsbad liegt jetzt schon wieder
fast ein Jahr zurück. Im Sommer 1999 verbrachte ich
in der Nähe fünf Wochen auf einem Campingplatz,
der „Na Špici“ heisst und am Ufer der Ohre
gelegen ist und zur Ortschaft Radošov gehört, einem
kleinen Straßendorf. Sechs Jahre später konnte
ich die Veränderungen sehen, die nach all diesen Jahren
die Stadt in ein anderes Licht tauchten.
Karlsbad, besser Karlovy Vary, liegt nicht nur völlig
eingebettet von Wäldern in einem Tal, in dem zwei Flüsse
aufeinandertreffen: die Teplá mit ihren heißen
Quellen und die Ohre, die Eger.
Bevor man zum eigentlichen Kurviertel kommt und die Jáchymovská bis
zum Ende geht, erreicht man die erste Parkanlage Karlovy
Varys, den Smetana Park (Smentanovy sady). Hier kann man
viele junge Paare auf dem Rasen liegen sehen, andere Personen
ruhen sich auf den Bänken aus oder beobachten die vorbeigehenden
Passanten und Kurgäste, zu denen immer mehr Russen und
Ukrainer gehören. Am Ende des Parks zeigt eine große
Blumenrabatte, ständig neu gepflanzt, das aktuelle Datum.
Direkt gegenüber befindet sich in einem schönen
klassizistischen Gebäude die Hauptpost. Geht man dann
linkerhand über die Teplábrücke, die „Poštovní most“,
kommt man an den Pferdedroschken vorbei, deren Kutscher in
schwarzen Anzügen und Zylinder auf Kundschaft warten,
um sie gemächlich durch das Kurviertel zu fahren.
Auf der rechten Seite der Teplá und hinter der Brücke
parallel zur Jáchymovská Straße steht
ein Kiosk neben dem anderen, wo allerlei nur erdenkliche
Waren für Touristen angeboten werden, vom Kitsch bis
zur Ansichtskarte, Stände, die es überall auf der
Welt gibt und die von Touristen besucht werden.
Um einen Überblick über die Stadt unten im tief
eingeschnittenen Tal in einem fast unüberschaubaren
Parkanlagengrün zu bekommen, steigt man am besten die
Stufen zum Jenení skok, dem Hirschsprung mit dem Kamzík,
der Gemsenstatue, am Ende der Petra Velikého Straße
hinauf, wo ein schöner kühler Waldweg auch weiter
zum Vyhlídka Petra Velikého, dem Aussichtspunkt
Peters des Großen führt.
Bekommt man aber nicht genug von Natur und leuchtendem Grün,
kann man sich auch auf den Rundweg begeben, der fast 13 Kilometer
lang um Karlovy Vary herum führt.
Wem aber der Weg zur Anhöhe zu anstrengend ist, kann
auch oberhalb des Grandhotels Pupp die Standseilbahn nehmen.
Oben auf der „Freundschaftshöhe“ (Výšina
prátelství) hat man vom Aussichtsturm Diana
einen sehr schönen Rundumblick in alle vier Himmelsrichtungen.
Wer die 150 Stufen zur Aussichtsplattform nicht laufen kann
oder will, kann mit einem Aufzug nach oben fahren. An der
Plattform angebrachte Schilder deuten in Richtung Prag und
Pilsen.
Von hier oben aus betrachtet, verschwinden die Häuser
Karlovy Varys fast gänzlich im sie umrundenden Grün.
Karlovy Vary mit seinen zwölf heißen Heilquellen
zogen in vergangener Zeit viele Persönlichkeiten an,
die sich auch hier mit Lobgedgedichten an die Stadt verewigt
haben. Neben dem russischen Zaren Peter des Großen
- nach dem auch der Aussichtspunkt benannt wurde und der
dort mit einem Gedenkstein geehrt wird, weilten auch Friedrich
der Große, Maria Theresia, Bismarck, Wallenstein und
die bekannten Größen deutscher und russischer
Kultur wie Goethe, Schiller, Gogol, Tschaikowski und viele
andere hier. Ja sie konnten von der Stadt oft nicht genug
bekommen und um dem russischen Adel eine Andachtstätte
zu bieten, wurde die russisch-orthodoxe Kirche
Peter und Paul (sv. Petr a Pável) errichtet, die mit
ihren neu vergoldeten Zwiebeltürmen das Kurviertel weithin überragt.
Auch von der anderen Seite des Kurbadviertels, wenn man bei
der barocken Maria Magdalena Kirche (Kostel sv. Marí Magdaleny)
im sogenannten Viertel „Monmatre“ das Kopfsteinpflaster
weiter bergauf geht, kommt man an einer Anlage vorbei und
befindet sich nach nur etwa einer Viertelstunde ansteigendem
Fußweg schon mitten im Wald. Sind auch weiter unten
noch die Stimmen der Stadt zu hören, so kann man hier
ungestört dem Vogelgezwitscher lauschen, nichts hier
oben erinnert an das geschäftige Treiben im Kurviertel.
Dann führt der gepflegte Waldweg weiter zu einer Kreuzung
mit einem Schild und Pfeil nach links zu den „Drei
Kreuzen“ (Tri Krie). Man findet die Drei Kreuze und
die ganz in der Nähe gelegene Aussichtsplattform rein
zufällig, da in der Stadt kein Schild darauf hinweist.
Die drei Holzkreuze stehen auf einem kleinen Hügel und
von hier aus hat man einen grandiosen Blick auf die andere
Seite der Stadt mit Heilbadviertel, Grandhotel Pupp und die
Mischwälder der Umgebung.
Die schönsten und sehenswertesten Kleinode Karlovy Varys
aber sind noch immer die Parkanlagen. Im Zentrum des Kurviertels
befindet sich die Mühlbrunnkolonnade (Mlýnské kolonáda),
ein schöner, langgestreckter Bau, im Stil der Neorenaissance,
der fast über die Hälfte der zwölf Karlsbader
Quellen beherbergt. Beständig sprudelt hier das für
alle kostenlose Heilwasser, das bei Magen-, Gallen- und Stoffwechselerkrankungen
hilft. Um das Wasser nicht zu heiß trinken zu müssen
- manche Quellen haben über 70°C heißes Wasser
- , benutzt man einen speziellen Trinkbecher aus Porzellan,
dessen oberer Henkelabschnitt gleichzeitig ein Trinkröhrchen
ist. Die in großen und weiß gestrichenen Kübeln
vor der Kolonnade aufgestellten Palmen geben diesem Teil
der Altstadt ein fast südländisches Flair. Von
hier aus hat man einen schönen Blick auf die mit vielen
Blumen bepflanzten Rabatte auf beiden Seiten der Teplá.
Gusseiserne Bänke laden zum Verweilen ein. Die Mühlbrunnkolonnade
ist gewissermaßen das Herz des Heilbadviertels. [...]
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