Die Gewinnergedichte des Lyrikwettbewerbes
"Träume und Taten"



1. Preis

Hans Hässig

Spätherbst

Noch liegt auf diesen müdgeword‘nen Tagen
vergangner Glanz, nachdem die Sonne schwand.
Der Sommer wurde längst hinweggetragen,
und herbstliche Schwere atmet das Land

Noch wärmen sie, die späten, goldnen Strahlen,
noch blühen ein paar Rosen da und dort.
Doch bald zerren die Stürme an den kahlen
Bäumen die letzten dürren Blätter fort.

Sie werden durch den Nebel weggetragen
weit über graues, ödes Land dahin.
In dunkle Leere werden sie verschlagen,
und niemand sieht und niemand weiss wohin.


2. Platz

Werner Saemann

Raubheuschrecken

noch sind es wenige
die mit profunder Glätte
Schürfrechte erschleichen
Spezialisten für Gewinne
die sich feiern lassen

dann saugen sie Geld
das Schmieröl der Wirtschaft
und schaffen es fort
lassen Motoren heiß laufen
und Reformen platzen

Arbeitnehmer zappeln
zwischen Rechnern und Robotern
in ihren Neonhallen
verheizen sie Schicksale
zu Industriemüll

verbraten Steuermittel
produzieren Arbeitslose
bis der Staat verblutet
ihre Ruinen im Grauen
und Grünen veröden

dann haben sie bereits
das unnütze Land verlassen
und schlagen anderswo
rasch neue Beute


3. Preis

Hanna Fleiss

Lauf der Dinge

Sieh zurück.
In deine Euleneinsamkeit hinein
Schattenumwehtes Gekrächz
Müder Nachtvögel.

Längst verklungen
Der Sang trauernder Nachtigallen.
Einstmals, hinter Büschen verborgen,
Lauschtest du dem Pirol.

Vorbei.
Du blickst in schwarze Spiegel.
Du ahnst, du erkennst. Du findest dort
Nie mehr dich selbst.


4. Preis

Günther Bach

Marketingkonzept

Wenn ich einmal reich bin,
kaufe ich mir einen Rezensenten,
einen richtig teuren,
vom SPIEGEL oder der FAZ.

Der schreibt dann lobende Worte
ü ber meine Romane
und aus einem Haiku
von siebzehn Silben
macht er einen Essay
von siebzehn Seiten.

Darauf kann ich bestehen.

Wenn ich einmal reich bin,
besteche ich einen Lektor vom Suhrkamp-Verlag.
Der bringt dann meine Gedichte heraus
und im Handumdrehen
habe ich wieder zwei, drei neue Leser.
Das wird eine tolle Zeit.

Noch ist es nicht ganz so weit.

Kann sein, dass ich noch eine Weile
so weitermache, wie ich es gewohnt bin:
als Autor, den keiner kennt.
Aber manchmal - ich gebe es zu -
träum ich davon, wie es sein wird,
wenn ich einmal reich bin.


5. Preis

Karin Ossenberg

Farbträume

Andalusische Anhöhen.
Ö lkreiden schmelzen auf meinem Aquarell
durchtränkt vom Sonnenschein und rissig.
Skizzen des Lichtes auf brüchiger Farbe
verschmieren in sanften Übergängen.
Rauhe Landschaften leuchten.
Reliefs auf rasch gemaltem Grund.
Olivenhaine in der Sonne Spaniens
flirren ultramarin in der Hitze.
Kläffende Hunde.
Hitzeblaue vandyckbraune Hügel glänzen.
Ich umkreise den Staub mit dem Stift.
Gelbe Striche auf dem Papier.
Mein Bild wird langsam
zur Erinnerung
an einen außergewöhnlichen Morgen.


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