Die Gewinnergedichte des Lyrikwettbewerbes
2021
1. Preis
Peter Frank
Galater
Begraben
Hals & Armring,
Schwert & Schild.
Unerbittlich der
Sandwind.
Zerschlagen
der Tempel,
die Drehmühle.
Das Mehl,
fortgetragen im
Fell der Ratten.
Versunken
im Grabhügel
der Streitwagen.
Rostbrüchig
der Eisenpflug.
Argwöhnisch die
Krähen.
Gehöft.
Die Hunde
verhungert.
Erloschen
die Herdfeuer,
die Halbmonde der
Sensen.
Hart die Grannen.
Geronnen das Blut
abgeschlagener
Hände.
2. Preis
Hanna Fleiss
Leben spüren
Leben immer nur Traum,
hin zu den Meeren, den Bergen
im Schnee, zum stillen See
in verschwiegener Landschaft,
in die Ebenen weit.
Hier das Häusergrau,
die Hektik des Straßenverkehrs,
das Pseudodasein im Großraumbüro,
die ehernen Marktgesetze,
seltsam fremd fühlst du dich.
Du trittst neben dich,
begreifst das Irrationale des Heute,
dein ungelebtes Leben, bohrend
der Verdacht, dass die Welt
dir etwas vorenthält.
Du vergräbst dich in die Suche,
ahnst etwas von der Größe und der
Kleinheit des Lebens, grübelst
und kommst zu keinem
Ergebnis.
Erst der Schatten
eines herbstlichen Ahornwalds
belehrt dich, und schmerzhaft
erinnerst du dich der Abendsonne, rot
wie deine Sehnsucht ins Freie.
3. Preis
Regina Jarisch
kipppunkt
schlaflos wandern schwer müde
fällt die zeit aus den himmeln
wasser steigen der atem geht flach
das leben pausiert im tunnel
niemand hört das gern am tisch der
geselligkeit zählt nur die lächelnde
zuversicht erzählt in geschichten
die wie fettaugen über dem tag
schwimmen wir mit halber lunge
zum roten sonnenuntergang
fahren ins dunkel ins ahnen
die masken fallen
zerschlissen die haut gefangen
im welken tasten wir nach baldrian
vergessen das fallen das steigen
in verschwiegener angst am rand
stirbt die täuschung
4. Preis
Volker Teodorczyk
Erfüllung
Nun komm, du Irrlicht meiner Lüste
Ob Bergmassiv, ob seichte Küste
Beginnen wir den Liebestanz
In trauter Obhut der Natur
Ich atme deine warme Spur
In deinen Augen, Lichterglanz
So setze dich auf Moosterrassen
Lass uns den Glücksmoment erfassen
Mein Haupt in deinem warmen Schoß
Geborgen und von dir bewacht
Und alle Sorgen außer Acht
So träume ich, Momente bloß
Wenn Ängste mir den Traum verklären
und dunkelste Visionen nähren
Dann weckst du mich, fast daunenzart
Erkundest scheu den warmen Hort
Und es bedarf dazu kein Wort
Entschlossen wandelst du den Pfad
Kaum hörbar summst du Freudenlieder
Löst aufgeregt dein knappes Mieder
Gewährst mir Blick auf blasse Haut
Nun lasse noch das Leinenstück
Des Weges zieh‘n zu meinem Glück
Damit es kein Verlangen staut
Ich möcht‘ in deinen Körperzonen
Mir dir sehr gern gemeinsam wohnen
So gib dich hin, mein holdes Weib
Den Gipfel stürmen, inniglich
Erneuern dann die Kräfte sich
Scheint er unendlich, der Verbleib
5. Preis
Eline Menke
Abwägung
Am Kirschbaum
Blüten wie Schlagrahm
aber die Tage sind nicht süß
sie krähen wie Hähne.
Mit scharfem Schnitt
trenne ich Hühnerhälse
klimpere mit Messern
auf dem Küchenklavier.
Abends grase ich
in der Ferne
stelle Milchkannen
auf die Waage der Zeit.
6. Preis
Rainer Gellermann
Cov-21
Arrestiert in offnen Zellen,
eingesperrt auf einem Schiff,
fahren wir durch freie Meere
geradewegs in Richtung Riff.
Möwen schreien aus der Höhe,
auf dem Deck tönt laut Musik,
Ankerketten knirschen kräftig,
unterm Wasser kreist ein Krieg.
Mr. Trend jagt schwarze Zahlen,
richtet das Torpedo aus.
Rettungswestenträger rufen:
Freie Fahrt, Volldampf voraus.
Eingesperrt in weiten Räumen,
festgesetzt auf einer Bark,
segeln wir durch blaue Meere
und im Wasser treibt ein Sarg.
7. Preis
Carsten Rathgeber
Klare Kante
An einem Sonntag beim Regen
Sortiere ich mein Dienen und Meinen
Trenne Plausibles vom Wahren
Das Laute vom Bewusstsein
Urplötzlich dieses Sehnen
Dieser Stolz auf mein Leben
Argumente renoviert
Alte Akten geschlossen
Die Legenden demontiert
Ansichtskarten geschrieben
Mir bleibt ein weißer Mantel
Dazu schwarze lange Stiefel
Harte Kante gezogen
Unbekannt verzogen
8. Preis
Angelika Zöllner
blaue stunde
blaue firniss geht um
vor den türen der nacht
blickwinkel überschimmern
mosaike des tags
das verfehlte – das rechte
zusammenfügen und prüfen
gedanken rühren
im warmen teeglas
dann die sinne anspitzen
einem funkenblitz folgen
diesem vorgeträumten
an leichter lösung.
9. Preis
Willi Volka
Welten
Menschen bodennah
vor sich Plastikbecher stumm
die Aufrechten ohne Caritas.
Rollt die Straßenbahn
mutieren Fassaden bunt
schwarzes Kopftuch schreitet.
Fingerbetastete Instrumente
Urbi et orbi chipgefüllt
leuchten tönen vor Masken.
Hirne massengeflutet
geneigt zu Bildern
aus dem Cloudhimmel.
Auf Asphalt gebeugt sitzen
ohne Anlehne aufrecht
mit sich fahren.
Digitalität kopfnah
akkuleer trotzig verstimmt
Stromspende wo?
10. Preis
Magnus Tautz
O-Ton Park
die alten Könige des Rauschens,
sie verteilen heute ihre Gifte,
verticken uns unter freiem Himmel ihre Restlaufzeiten.
Im Traum werfen wir uns hin und her,
holen ein Kästchen unter der Badewanne hervor,
zwei Geigen drin,
warm genug für eine Drehung auf kontaminiertem Boden.
Die Werte steigen, das Sprachgefühl lässt nach.
Und überhaupt, was wird uns hier serviert?
Die Teller war‘n längst leer.
Ein paar Schnitte, eine Geburt, die Töpfe ausgeschabt.
In mir wirft sich das Bild eines bewegungslosen Karussells
auf.
Das Klopfen auf Holz hilft nicht, kein Echo mehr,
alles Ozon von gestern.
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