Die Gewinnergedichte des "Lyrikwettbewerbes 2014"



1. Preis

Peter Frank

Biike

Windgeschliffener Hügel.

Strohmann,
aufgerichtet über dem
Schlaf der Riesen.
Rauhreif im Bart.

Früh
dämmert Abend in den
Augen der Kinder &
riecht nach Teer.

Februar
fasst die Fackel mit
vereisten Fingern.

Unter roten Segeln,
von Rottgänsen umkreist,
fährt aus das Flammenschiff.

Herab stürzt
die brennende Takelage des
Winters.



2. Preis

Hanna Fleiss

Der Waldsee

Tag ist es noch.
Das Haar der Weide kämmt der südliche Wind.
Ü bers Wasser streicht wispernd die Brise.

Und hinab in den See taucht
die Ralle, schwer hängt der Schatten
darüber. Der späte Nachmittag wäscht das Gold
der Sonne im Spiegel des Wassers, schrill
der Pfiff eines scheuen Vogels.

Lüfte steigen auf, espenerschütternd.
Jäh ein Flügelschlag überm See, langhalsig naht sich
das Schwanenpaar dem verborgenen
Nestgewöll. Flirrend ein Schatten in der Birke.
Kein Vogellaut noch.

Dämmerung senkt sich auf den See.
Als sei sie ein Rauch.


3. Preis

Manfred Burba

Der Judenstern

Für H. Sch.

Wir stehen kurz vor dem Abitur
und Deutschland steht mitten im Krieg.
Wir eilen durch Lehrplan und Treppenflur
wie der Führer von Sieg zu Sieg.

In unserer Klasse gibt es jetzt
von zwanzig Primanern noch zehn,
die anderen wurden zur Flak versetzt,
um dort ihren Mann zu stehn.

Da kommt eines Morgens, selbstbewusst,
Hans Kessler zur Klasse herein
und trägt einen Judenstern auf der Brust,
ohne selber ein Jude zu sein!

Die ganze Klasse ist irritiert,
verlegen und sichtlich empört.
Er hat für die Juden sich engagiert
und Ruhe und Ordnung gestört!
Hans Kessler, mit Judenstern aus Papier,
steht da, wie ein aufrechter Mann!
Der Lehrer ist sprachlos und rennt zur Tür
und holt den Direktor heran.

Der kommt und schreit: „Was fällt dir ein,
mit den Juden zu sympathisieren?
Sie sind unser Unglück und ganz allein
schuld an dem Krieg, den wir führen!“

Dann lassen sie Kessler nach Hause gehn;
Direktor und Lehrer tagen:
Sie werden ihn als Verräter ansehn
und von der Schule verjagen.

Nach einer wahren Begebenheit, vermutlich aus dem Herbst 1941 nach Einführung des gelben Davidsterns zur Kennzeichnung der Juden in Nazi-Deutschland (Name verändert).


4. Preis

Mirella Furlan

Fast schon Schnee

Fast schon Schnee
Auf Deinen Haaren
Lagen wir auf Bänken rum
Wollig braune Herbstlaubphrasen
Octum beige
Und wir ganz stumm.

Als zum Abend
Meine Kinder
Tropfnass sangen von der Welt
War der Nebel
In der Küche
Mit der Pizza längst bestellt.

Fast schon Schnee
Wirst Du dann sagen
Während ich die Blicke spar
Um zu meiden Dir zu sagen
Was gewesen und nicht war.


5. Preis

Judith Ecker

Glava

Manchmal vermischt
sich dein Schweigen
mit Regen

Sie fragt nicht
wo du bist
in Sicherheit

Wenn sie tanzt
tut sie es leise
in den Wäldern

Wischt sich Schatten
aus den Augen
mit beerenblauen Fingern

Ihren Durst versteckt
sie bei Tag
hinter Spiegeln

Ohne zu berühren
tauscht sie im Schlaf
dann ihren Atem gegen deinen

Unbemerkt weil
Träume unter Wasser
sind sehr still.

 

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