Die Gewinnergedichte des "Lyrikwettbewerbes 2013"



1. Preis

Peter Frank

Landschaft hinter Bongsiel

Jetzt
im Oktober
gleicht das Land

einer Hand
am Ende des
Lebens,

flach
wie der Flügel eines
Fasans,

leise zitternd
unter den Gedankenstrichen
der Wolken.

Erblindet
die Sonne über den
Krüppelkiefern.

Härter
ausgeleuchtet
die Randbezirke der

Blicke,
Stacheldraht,
vom Sturm gekappt,

eine
rostbraune Wanne,
Federn, Knochen,

die blutende
Kehle des
Jahres,


2. Preis

Hans Sonntag

Ostgold

Das unvergessene Gold
unserer Vergangenheit:
Heißer Tee im Liegewagen
von Warszawa nach Dresden.
Chopins Klavierstücke
unter freiem Himmel
sonntags im Lazienkipark,
zweimal und kostenlos.
An den offenen Fenstern
der Goralenhäuser
Schüsseln voll mit
Walderdbeeren und smietana.
Verbotene Westliteratur
zu kaufen in der Vaci utca
für Forint in Budapest.
24 Stunden Bahnfahrt
um mit Freunden aus Wien
zu segeln auf dem Balaton
für einen einzigen Tag.
Auf der Straße daheim
angstfrei und lauthals
auf Englisch fluchen
mit Londoner Berufskollegen.


3. Preis

Manfred Burba

Ferien auf Sylt

Die Kinder am Strand,
spielen und streiten
umgeben von Sand,
Wind und Gezeiten.

Die Sonne im Meer
tanzt auf den Wellen,
vom Yachthafen her
die Hunde bellen.

Die Menschen sind laut
und ohne Ruhe,
wohin man auch schaut:
Lärm und Getue.

Hier ist nicht der Ort,
um Verse zu schreiben,
kein einziges Wort
will stehen bleiben.

Die Insel war nicht
mein Wunsch und Wille:
Ein gutes Gedicht
kommt aus der Stille.


4. Preis

Michael Starcke

in letzten träumen I

in letzten träumen
suche ich
meine anlegestelle, das meer,
gehe schaukelnden schrittes
an land.

schiffe beobachte ich,
die vorbeiziehen,
bebilderten büchern ähnlich,
die ich gerne gelesen hätte
auf dem weg zum horizont.

der sand spürt den herzschlag
meiner nackten füße,
die sich still
mit dem schweigen
der erde verbinden.

der salzige wind nimmt
meine spuren
gastfreundlich auf
wie das geräusch
des dünengrases,
das sich unter
einer schweren regenwolke
duckt und zirpt.


5. Preis

Hans-Walter Voigt

Hochsommer

Eine Erinnerung

Sommer, Sonnenglühen
ü ber die Gärten, seidenmatt.
Sommer, Lichterschäume.
An den Bäumen rührt sich kein Blatt.

August - das Ährenleuchten
am Abend vor dem Schnitt.
Düfte, Spiele und Reigen
bringt uns der Sommer mit.

Sommer, ein letztes Begehren,
schon abgeerntet das Land.
Leere und Stille in Ställen,
Mückengeschmeiß an der Wand.

Die Zeit steht still. Für Augenblicke
wird alles kurz zur Ewigkeit.
Ich halte ein, ich lausche, blicke -
und spüre die Geborgenheit.

Sommer, Hitze - weltverloren
liegt das alte Dorf im Tal.
Schwalben fliegen bald gen Süden.
Fliegen summen leis im Saal,

wo die Wände sind versponnen
von der Mär der Zeit:
verstaubt, verlassen, fast vergessen -
entflogen, so sternenweit.

weitere Gewinnergedichte