Die Gewinnergedichte des "Lyrikwettbewerbes 2011"




6. Preis

Hans-Walter Voigt

Botschaften

Mir träumte gar von jener Stunde:
des Abends, als die Sonne schwand,
kam oftmals eine stille Kunde
von weither übers Land.

Sie ließ sich nieder auf dem Baume,
dem keine Kunde je entgeht.
Die Botschaft stand im Raume
für den, der sie versteht.

Mir träumte von Bücherwänden,
halbdunkel, verstaubt und still,
und mit den Büchern, die da standen,
sprach ich, sprach ich so viel.

Sichtlich erregt aufgrund der Worte,
von denen jedes Botschaft war,
sah ich zum Vorhang mit der Silberborte,
fahlblau verblichen hing er da.

Und auch die Unbekannten,
nur kurz gesehen, so „deja-vu“,
die irgendwann am Bahnsteig standen -
wie schnell vergisst man sie...

Dereinst gesehen, bald versunken,
in Paddington, am Gare du Nord,
ein kurzer Blick, noch kurz gewunken,
und alles ist vorbei und fort.

Kein Wimperzucken, keine Trauer,
denn was gewesen, ist getan.
Botschaften aber sind von Dauer
und rühren das, was war, noch an.


7. Preis

David Krause

der atlas der stille

tiefverschneit sind die worte
und unter schwarzen felsen geduckt
kartographieren wir gespräche. stumm.
an entgegengelegenen enden des tals.

der atlas: ein liniennetz. wir erahnten
niemals die späten verwerfungen. dann ent-
setzen. der riss. rauschendes weiß. du vermisst
ein letztes mal unsere zeit bevor du
fliehst und mich vergisst.


8. Preis

Ursula Gressmann

wehmut

matt spiegelt sich
der himmel in den pfützen
und unter krumm gewachsenen
bäumen zerzaust der wind
das heidekraut.
gelb blüht schon der stechginster
und sanft schweben zwei
schwarze federn über mir
wie im schlaf gestörte geister.
von norden her weht der wind
riecht nach meer und
laut kreischend fliegen
möwen auf.
ihre schatten
fließen wie wasser
über nassglänzende steine.


9. Preis

Barbara Gregor

Schwarz. Immer
die Stunde vor der Nacht
unruhige Monde häuten
die Wasser und weißer Wind
der einzig Schattenlose streift
durch die verlassenen Körper der Frauen
zwischen unseren Fingern
spreizt sich die Zeit zieht
uns in ihr Gehölz
Ströme eisgrau wärmen Worte
mit verbotenem Mund
da sprichst Licht ins Haar mir du



10.Preis

Hermann Knehr

Der Entdecker

Ohne dass er sie befragte
nahm er sich das Recht zu gehen
und das was er ihnen sagte
konnten wenige verstehen,

denn er war schon ganz befangen
von dem Neuen was er sah
und er hatte das Verlangen
es zu fühlen und ganz nah

zu erleben und zu sichten
ohne einen Grund zu nennen,
für das was er hie und da

glaubte wieder zu erkennen,
um darüber zu berichten
alles was mit ihm geschah.