Die Gewinnergedichte des "Lyrikwettbewerbes 2008"



1. Preis

Dirk Werner

Feierabend

Sprödmüde wie mein Fahrradreifen
bin Freitagnachmittag auch ich.
Die Schuhe von den Füßen streifen,
ist endlos wunderbar für mich.

Die Hände müssen nicht mehr fliegen.
Gedanken flattern nicht mehr auf.
Die Lider kommen zum Erliegen.
Ich stehe nicht mehr zum Verkauf.

Ich bin nicht länger feilgeboten,
vor Augenpaaren ausgestellt,
erteil mir selbst nicht länger Noten.
Ich bin Mensch. Und nicht mehr Geld.


2.Preis

Jan Hagen Fink

Abendlied

Rot leuchtet dir die Mondin
Und des Tags
Erbricht sich fahl
Durch stille Wolken
Der Sonne Schild.

Es schweigen die Vögel zur Dämm´rung -
zur Abendwende,
huschen lautlos,
Traumgestalten gleich,
in ein Geäst aus Geborgenheit.

Der Sonne Klang,
der Mondin Melodie
geleiten deine Ewigkeit in ihren Akt,
wenn der Himmel sich auftut,
dich für immer fortzunehmen –
hinweg auf Adlerschwingen.

Heiliges Leben,
pulsierendes Keuchen,
atmendes Werden;
Takt für Takt
Ein Sich-Emporschwingen
Mit jedem Atemzug.

Nur der Tod gibt dem Leben seinen Atem…
Verlier´ dich in seinem Beischlaf
Und in der Lust deiner androgynen Unschuld
Wird er dich in Mutterarmen wiegen.


3. Preis

Stefanos Nikolakopoulos

La Habana

Es nimmt meine Hand
In dunkler Ruhe
Die einsame Nacht
Aus Perlmutt und Seide
Die führt mich
In der Stadt der Säulen
Deren Haut blättert
In allen Farben
Kalk und Stein
Haus um Haus
Verschwimmende Lider
Achten der Schritte
Fenster aus
Anderer Zeit
Und freundliche Münder
Lachen mich an
Wärmende Lichter
Scheinen aus Palästen
Bewohnt von den Armen
Tauben und Alten
Da sind Staub und Geröll
Gefüllt mit Musik
Es tanzen die Götter
Der Erinnerung
In der Stadt der Säulen
Deren Häuser
Brechen
Und deren Nacht ist
Schwarz und warm


4. Preis

Manfred Burba

Die vier Deserteure

Sie lehnten zu viert an der Bunkerwand,
entschlossen, den Ausbruch zu wagen,
die Waffen entsichert, um kurzerhand
gemeinschaftlich loszuschlagen.

Der erste, ein Leutnant und Pionier,
der wurde in Russland verwundet
und hatte den Fluchtweg für alle vier
entworfen und selbst erkundet.

Der zweite Verschwörer war Reservist,
der älteste Kämpfer von allen.
Er sollte am Ausgang mit einer List
den Wachposten überfallen.

Der dritte kam aus dem Strafbataillon,
(er nannte die Nazis verlogen)
und traf sich im Bunker mit seinem Sohn,
den hatten sie eingezogen.

Der junge Pimpf war als vierter dabei
und machte dem Vater zu schaffen.
Er glaubte an Hitler und sein Geschrei
von Endsieg und Wunderwaffen.

Die anderen aber glaubten an nichts
als an Flucht vor Tod und Verderben.
Sie mussten am Galgen und angesichts
des kleinen Verräters sterben.


5. Preis

Ernestine Kühnl

Soziale Marktwirtschaft

Als die Inflation bereits Stärke 7,8 erreicht hatte
gerieten die Politiker in Schieflage
beeindruckend schockiert versuchten sie mit einem Plaudertag
Wachstum und Frieden zu beschwören
Die Massen interpretierten das
als haarsträubende Ladenhüter
unter Druck purzelten ein paar Minister ins Abseits
ein brisantes Duell zwischen den Großparteien
erreichte Rekordhöhen an Wutausbrüchen
der Moderator schritt ein und beruhigte
dass die Apfel Online Tarife ab sofort günstiger wären
das Wachstum bei Zahnbürstenborstenherstellern zweistellig sei
und außerdem könnte sich ja jeder
selbst eine Kristallkugel kaufen oder
eine Weltraumodyssee beginnen
und die Parkplätze für neue Hoffnung
seien überhaupt gratis.

 


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