Skurrile Berliner Moritaten.
Gedichtband über Wüsten, Bellizisten und Wertstoffliebe
Von Maria Partsch
Berlin, du Abgrund, Poem der Autorin Ira R. Svenhagen, setzt
in 22 Schnitten ein Bild der Stadt, ihrer Befindlichkeiten zusammen.
So schreibt sie: „nachts am müggelsee/ tanzen die
schlangen/ auf wasserkreisen/ aus mondlicht geritzt“. Inmitten
des städtischen Gewusels gelangt sie ins Labyrinth unter
dem Alexanderplatz und bleibt an anderen Stellen nur diffus verschiedenen
Stimmungen verhaftet. Zwölf Berlinmoritaten, gereimt, skurrile
Scheintaten im Schriftstellermilieu, schließen sich an.
Der Leser darf raten, wie sie gemeint sein könnten.
Eindrucksvoll beginnt Michael Starckes winterbild: „[V]ielleicht/
könnte es sein,/ dass die bäume,/ dann, wenn sie kahl
sind,/ ihren großen charakter zeigen“. Überdies
führt er in seinem Gedicht ablichten aus: „herbstlichen
gärten/ an der bahnlinie hinter/ der stadt, nebelspinnen/
und oktoberbäume,/ auwälder und wasserstraßen“.
Die Anthologie „Vom Duft der Wüste“ enthält
nicht allein zu ihrem Titelthema Gedichte. Dem Klappentext ist
zu entnehmen, die Wüsten bilden lediglich einen der Schwerpunkte.
Dieser geht zurück auf eine Spezialaufgabe in einem themenoffenen
Lyrikwettbewerb. Er lief im vergangenen Jahr bis zum Herbst,
eine Ausschreibung des Literaturpodiums. Etwa 3000 lyrische
Texte von 462 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Polen, Österreich,
der Schweiz, Dänemark, Spanien, Israel und anderen Ländern
waren vom Team des Märkischen Literaturkreises zu begutachten.
Der Band nun enthält formal äußerst unterschiedliche
Gedichte, insgesamt die qualitativ gelungeneren Arbeiten. So
wird man überrascht vom Herbstgewitter („Um mich herum
verstummt das Leben,/ die Bäume neigen sich herab,/ es rauscht
und tobt in ihren Gipfeln/ und manchmal brechen Zweige ab.“).
In freien Rhythmen zieht Edda Gutsche den Leser zu zwei Liebestrunkenen
in die Mittsommernacht: „Frage die Birke/ nach ihren Mädchenliedern/
und schwimm mit mir/ durch die wachende Nacht.// Küsse vor
meinen Mandelaugen/ den üppigen Meeresbusen,/ streif ihm
die Schaumkleider ab.“
Neben leisen, sehr ernsten Tönen finden sich humorvolle
Gedichte, so Die Sache mit der Reisetasche. Auch herausfordernd
spitz gesellschaftspolitische Beiträge wie Die postdemokratische
Lösung („dass das Volk/ Die freien Märkte gar
furchtbar verschreckt habe […] Wäre es da/ Nicht
doch einfacher, der freie Markt/ Löste das Volk auf“),
frei nach Brecht. In Tortuga liegt an der Spree macht sich Peter
Nied seinen satirischen Reim auf die Piratenpartei, wie die schwarzbeflaggten
Bootsmänner ohne Konzept und auf unbestimmtem Kurs segeln.
Im übrigen schreibt das Literaturpodium auch in diesem Jahr
einen themenfreien Lyrikwettbewerb aus. Bis zum 17. November
kann man sich mit eigenen Gedichten online bewerben unter: www.literaturpodium.de
Manfred Burba, Michael Starcke, Norbert Rheindorf u.v.a.:
Vom Duft der Wüste. Gedichte, Edition Dorante, 284 Seiten,
16 €
erschienen in "Kümmels Anzeiger" vom 4.5.2013
in der Region Erkner und Berlin-Köpenick
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