Leseprobe

 

Martin Westenberger


hochwasser

wenn das hochwasser kommt,
schrumpfen zunächst die hosen,
dann das lungengeäst.

natürlich, die guten pläne
hängen an der wand, oberhalb
der markierung vom letzten mal.

langsam steigt es weiter, bis sich
der blick auf das büchsenlicht
von galeria kaufhof verengt.

schließlich, wenn es unter dem
glasdach steht, ist der
mond sehr schön zu sehen.

und am nächsten tag
die sonne.




kurzer abriss religiöser ekstase

mit dem fahrzeug freier wahl den berg freier wahl
hinauffahren, um hinunterzublicken,
sonne und musik freier wahl,
jedenfalls köstliches brett bis in die fußspitzen,

musik, die das lebensgefühl eurer zeit auf
den punkt bringt, das ganze befestigt
von einem klugen artikel,
der alles in die richtige folge setzt,

die wellen aus dem lautsprecher
lesen euch die leviten,
schön beschleunigt den anstieg entlang,
dann wie eine sänfte,

musik muss jetzt die haut frieren und
die augen tränen lassen,
dann kommt der schriftzug
kurzer abriss religiöser ekstase.

meister eckhart hat auf diesen moment gewartet, er sitzt
im kreuzgang und blickt auf seine ledersandalen,
so ist es recht, ihr müsst euch nur offen halten und hoffen,

dass es irgendwann passiert, er steht auf und
geht den kreuzgang ja, ja, ja! jetzt höre auch ich
den fernen klang, singt er durch die jahrhunderte,

schön wie ihr da fahrt, macht euch nur trunken und sehet den
schriftzug von strophe vier, haltet euch offen, bemüht euch,
aber erzwingt nichts, nur dann kann das göttliche eingang

in euren seelengrund finden, meister eckhart, was für ein brett,
das qualmt ja voll rein, die weisheit, die sie da gefunden haben,
blaise pascal hatte doch auch so etwas in einer nacht,
da geschah es und er notierte heilige worte nur für sich und
nähte diese in seinen mantelsaum ein, erst als er tot war,
fand man das zeugnis jener nacht,

das kann schon alles sein, ruft uns meister eckhart
zu und euer sänger, was macht er da,
ich wusste doch, er liegt auf dem boden und versucht

das puzzle ineinander zu fügen, er braucht dazu
nur ein paar worte, die gekreuzt mit klängen,
ich wusste doch, es wird geschehen, ich habe euch gesagt,

das sage ich immer
in meinen lächerlichen sandalen und
meinem lächerlichen tun,
dankbar für alles.



anmerkung zum sonnenstand

abends ging ich ins
stahlorange, bedröhnt
von den anführungszeichen
der hochhäuser,
happy hour vor
einbruch der dunkelheit.

letzte café-gespräche,
schon mit benzin gemischt.
in erwartung des
großen abends,
vorstoß in ein vakuum,
um neuen raum
zu schaffen.

hand in hand kam mir
ein paar entgegen, sie
fragten, where are you
from, dann luden sie
mich ein, wann wo was,
das konnten sie nicht
sagen.

der abend war offen,
vom zweiunddreißigsten
stock aus sah ich einen
klumpen am horizont,
als es dunkel war,
gab er ein licht.