Leseproben:

 

Hermann Knehr

Begegnung

Von Weitem sah er die Gestalt
sich durch die Parkallee bewegen,
wie sie nach einem kurzen Halt,
als würde sie noch überlegen,

entschlossen seine Richtung nahm
mit weiblich selbstbewusstem Schritt
und dabei an Kontur gewann
vor dunklem Grün mit jedem Tritt.

Doch plötzlich war der Schatten da,
zwei Augen fragend aufgeschlagen,
neugierig und verwirrend nah,

als wollten sie ihm etwas sagen.
Ein Wimpernschlag nur, - in der Luft
blieb noch ein Hauch von ihrem Duft.




Penthesilea

Nichts kriegerisches war an ihr
nur ungläubiges Staunen, als
er wie bei einem schönen Tier
den Riemen löste von dem Hals

und sie die Stirn ihm darbot, weiß
und offen, schutzlos wie sie war,
das Haupt verklebt von Blut und Schweiß
mit leuchtend kupferrotem Haar.

War das der Sieg? Sein rauhes Lachen
klang unnatürlich laut als er
die Augen sah, die schon nichts mehr

erkannten lang bevor sie brachen.
Der Sieg nach dieser großen Zahl
von Kämpfen schmeckte plötzlich schal.




Herbst

Es ist vollbracht. Der Sommer geht
und die Natur ist wie im Bann,
als sähe sie ihr Werk noch einmal an,
gelassen, eh es untergeht.

Die Astern stehen welk im Beet
und atmen leichten Moderduft;
der Schrei des Vogels, der sich dreht,
hängt schrill und klagend in der Luft.

Wer jetzt nicht innehält und schweigt
wird nie etwas verstehen,
wird immer nur sich selber sehen

und sich dabei im Kreise drehen.
Was die Natur uns heute zeigt
ist: würdevoll zu gehen.